
Hallo Liebling
Er knallte den Aktenordner zu und stellte ihn wieder
unter K in den Schrank. Ein Blick auf seine teure Rolex.
Viertel vor fünf. Feierabend. Er lächelte.
Seine Frau, Martina würde sich freuen das er pünktlich
Zuhause war. Er verließ sein Büro und betrat den
Fahrstuhl, traf seinen Chef und dessen Sekretärin und
plauderte kurz mit beiden. Er amüsierte sich innerlich wie
immer über das Mädchen das trotz ihrer höchsten
vierundzwanzig Lenze schon wie eine alte Jungfer wirkte
und ihn, den, nicht schlecht aussehenden Mittdreißiger,
bei jeder Gelegenheit von der Seite anhimmelte.
Auf dem Parkplatz fand er seinen Sportwagen.
Sechs Zylinder, Turbo, über zweihundert PS und eine
„Wahnsinnsstereoanlage“.
Er mochte diesen Wagen. Beim Starten genoß er wie
immer das Aufröhren der sechs Zylinder. Sein Blick fiel auf
das Foto seiner Frau das in einem kleinen
Kunstlederrahmen am Armaturenbrett prangte. Er liebte
sie, denn sie war schön, clever, kultiviert und erotisch ein
Hammer.
Mit einem verspielten Grinsen küßte er seinen
Zeigefinger und tippte auf die Stelle des Bildes wo ihre
Stupsnase war.
Dann fuhr er los. Er stellte die Stereoanlage an und
schob eine Disk rein. Leise begann die weiche Stimme
von Richard Marx seine Angelina zu besingen. Dann
lenkte er den schweren Sportwagen in die
Autobahnauffahrt und drückte das Gaspedal tiefer.
Freudig nahmen die sechs Zylinder Gas an und der
Turbo begann leise zu pfeifen. Fünfter Gang, sechseinhalb
tausend Touren und die Tachonadel federte sich bei 220
km/h ein.
Indes die Hooters ihren Jonny B. besangen setzte er mit
dem Zigarettenanzünder eine Davidoff in Brand.
Das Leben, - ein Genuss.
Seine Gedanken waren jetzt wieder bei seiner Frau und
seine Miene verdunkelte sich ein wenig. Sie hatte ihn
verlassen wollen. Wegen ihrem Tennislehrer. Das musste
man sich mal vorstellen - Er riss sich jahrelang den Arsch
auf, machte Karriere und buckelte um den Zweitwagen,
das Haus und letztendlich auch ihre gottverdammten
Aerobic- und Tennisstunden zu bezahlen und plötzlich will
die Dame mit ihrem Tennislehrer durchbrennen.
Sie hatten einen bösen Streit und... Plötzlich scherte vor
ihm dieser Kleinwagen aus und er musste bremsen.
Schwer stampfte er auf das Pedal und fluchte. Die
Situation war eng. Links der alte VW Käfer, rechts ein
Lastwagen, ein Monstrum aus Stahl und Technik neben
einem Winzling.
David und Goliath, und der Verlierer war in diesem Fall
der gar nicht lachende Dritte. Niemals würde er seinen
Wagen rechtzeitig zum Stehen kriegen.
Nicht auf diese Distanz.
Er schloss die Augen, trat das Pedal noch fester und
wartete auf den Knall der alles beenden würde.
Aber der blieb aus. Er öffnete die Augen und sah das
der Kleinwagen nicht mehr da war. Auch der Lastwagen
war verschwunden.
Einfach so?
Ein Blick in den Rückspiegel. Nichts! Die Autobahn war
leer! Nur von etwas weiter hinten näherten sich jetzt zwei
Fahrzeuge nebeneinander.
Und er stand! Auf der Linken Spur!
Sofort gab er wieder Gas. Beschleunigte den Wagen so
schnell es ging.
Fünfter Gang, sechseinhalb tausend Touren. Das Gefühl
wenn die etwa 1500 Kilo Stahl, Kunststoff und Technik
sich zu strecken schienen, der Motor aufbrüllte und der
ganze Wagen einen Satz nach vorne machte. Geradezu
berauschend.
Seine Gedanken schweiften wieder zu seiner Frau ab.
Sie hatte sich einfach eines Abends vor ihm aufgebaut
und gesagt:
"Ich werde dich verlassen, Peter."
Erstaunt hatte er aufgesehen und sie gefragt ob das ihr
Ernst sei.
"Ja Peter, mein bitterer Ernst. Es ist aus. Ich werde die
Scheidung einreichen." Er fragte was geschehen sei und
sie erzählte ihm die Sache mit dem Tennislehrer.
Zunächst war er ganz ruhig doch so nach und nach fing
er an sich aufzuregen.
Er schrie und tobte, dann weinte und schließlich bettelte
er. Und dann...
Jetzt lag die Einfahrt seines, nein, ihres kleinen
Häuschens vor ihm. Der schnittige Wagen glitt in die
Einfahrt hinein und er betätigte die Fernsteuerung für das
Garagentor.
Er drehte den Zündschlüssel und der Motor starb ab.
Nach ihrem Streit damals griff er selbst zum Telefon und
sprach mit diesem Tennislehrer.
Nein Martina werde nicht kommen. Man habe sich
versöhnt und sie... Nein sie werde nicht ans Telefon
kommen. Sie wolle nicht mehr mit ihm sprechen.
Er stieg aus, schaltete die Alarmanlage ein und ging ins
Haus.
"Hallo Liebling, ich bin wieder da." Er setzte sich locker
auf die Lehne ihres Sessels. Ihr Lächeln war extrem breit.
"Ich werde uns erst Mal einen Tee machen." Er stand
auf, nahm die Tassen vom Vorabend vom Tisch und ging
in die Küche. Dort verstaute er die Tassen in der
Spülmaschine und schaltete diese an. Er sprach jetzt
lauter um die Distanz bis ins Wohnzimmer zu
überbrücken.
"Wie war dein Tag Liebling?“
„Ach wirklich? Ist ja hoch interessant.“
Die Spülmaschine rauschte, und nahm ihre Arbeit auf.
„Danke bei mir gings.“
„Nein ich habe deine Mutter heute nicht gesehen."
Dann nahm er die Teekanne und zwei Tassen aus dem
Schrank, stellte sie auf ein Tablet und trug alles ins
Wohnzimmer rüber, stellte alles auf den Tisch, legte eine
Platte auf und setzte sich ihr gegenüber. Ernst schaute er
sie an.
Aus den Lautsprecherboxen erklang leise Chris de
Burgh's „Ballroom of Romance“.
"Du siehst nicht besonders gut aus, Liebling. Du wirst
doch nicht etwa krank werden?“
...in a Ballroom of Romance..."
„Das wäre nicht schön, jetzt wo es auf den Hochsommer
zugeht. Ruhe dich ruhig etwas aus. Du wirst sehen, dir
geht es bestimmt bald wieder besser.“
...and the last, that i remember, was a Kiss...
„Es wird ein herrlicher Hochsommer, du wirst sehen.“
...in a Ballroom of Romance...
„Aber natürlich helfe ich dir, mein Schatz."
Er stand auf, ging um den Tisch herum, nahm ihre Tasse
und setzte sie ihr an die vermoderte Unterlippe. Liebevoll
und Vorsichtig goss er den Tee in ihren verzerrten Mund.
"Pass auf. Heiß."
Der Tee floss durch die ausgetrocknete und nicht wieder
zugewachsene Wunde, die er ihr mit dem Messer direkt
hinter der Kinnspitze, von unten nach oben zustoßend,
beigebracht hatte.
Damals bei ihrem Streit, vor fünf Monaten.
„Oh Liebling, du kleckerst schon wieder."
Dann lachte er laut und küsste Ihre mumifizierten
Lippen.
"Nur ein Scherz, Liebling. Nur ein Scherz."
...live goes on...