
Dot Lurcock
Sollte ich jemals beginnen, eine Hitliste über die miesesten Typen zu erstellen, denen ich in meinem Leben begegnet bin, dann stünde Dot Lurcock sicher ganz weit oben, wenn nicht gar an erster Stelle.
Nicht nur das dieses Schwein nahezu alle Bordelle und Drogenhöllen der Stadt kontrollierte, er hatte auch noch einen Killer auf die eigene Tochter angesetzt – mich.
Er saß jetzt, wie immer, hinter seinem Schreibtisch, mit einem Glas vor sich, dessen Farbe allein schon deutlich machte dass es sicher kein Wasser enthielt. Vermutlich irgendeinen teuren Wein oder Brandy, der so viel kostete, das ein Familienvater seine Familie einen Monat lang ernähren könnte.
Es klickte und ratterte leise, wenn die mechanische Prothese, die Lurcocks linken Arm ersetzte, seine Zigarre an die wulstigen, widerlichen Lippen führte. Sein Bauch war so riesig, das er fast die Weste sprengte, welche er über dem weißen Hemd trug. Sein Kopf zeichnete sich durch das völlige Fehlen jeder Behaarung aus. Nicht einmal Bartstoppel oder Augenbrauen waren vorhanden.
Sogar in den Löchern seiner ebenfalls wulstigen Nase waren keine Haare zu sehen und ständig tupfte er sich, in einer affektierten Geste, mit einem weißen Tuch den Schweiß vom Gesicht.
Hinter ihm konnte ich durch das Riesenfenster seines Arbeitszimmers den Blick über Albastairn genießen. DieStadt war riesig, belebt und blendend weiß.
Der Alabaster, aus dem die Häuser gebaut worden waren, zeichnete sich dadurch aus, dass er immer weiß blieb. Die übliche, leicht bekleidete und viel zu junge Frau saß auf dem Sofa neben dem Fenster und tat genau das, was Frauen wie diese am besten können.
Sie schwieg und sah gut aus.
„Josiah Jelly, alter Freund. Ich nehme an, sie kommen um sich ihre Erfolgsprämie abzuholen.“ Sein Grinsen war so locker und freundlich, als redete er mit einem Lieferanten, der ein paar Blumen brachte und nicht mit dem Mann, den er dafür bezahlt hatte, seine eigene Tochter umzulegen.
Doch ich war nicht sein Freund, wollte es nicht sein und würde es auch nicht mehr werden, daher warf ich Maxies Amulett auf den Tisch vor ihm.
„Sehr wohl. Sie starb in Esthernet und ich bezweifle das man sie identifizieren kann.“
„Nehmen sie sich einen Drink, Jelly. Sie haben ihn sich verdient.“
Mein Blick fiel auf den kleinen Beistelltisch neben Lurcocks Schlampe, auf dem verschiedene Flaschen standen. Warum nicht, ich hatte ja genug Zeit und Lurcock trank niemals billigen Kram. Ich wählte irgendein braunes Zeug, schenkte mir ein und flegelte mich provokativ in den Sessel vor dem Schreibtisch.
Mein Auftraggeber gab sich als guter Gastgeber und bot mir eine Zigarre an. Er gab mir sogar Feuer.
Danach musterte er mich intensiv aus seinen kleinen, gemeinen Augen.
„Wie haben sie es gemacht?“
Ich zuckte mit den Schultern und stellte fest, dass er mich noch immer überraschen konnte. Wollte er sich wirklich noch an meiner Erzählung weiden? Oder einfach nur sichergehen dass ich ihn nicht betrog?
„Ein Sprenggeschoss. Eine dieser Kugeln die explodieren nachdem sie in den Körper eindringen. Kopfschuss. Blieb nichts übrig das man erkennen könnte.“
Wieder fiel mein Blick auf die Dampfsäule die sich aus dem Donjon und in den blauen Himmel über Albastairn drängte. Ich erinnerte mich an die Geschichten der Alten in meiner Heimat. Über den Grandugh der einmal da gelebt und geherrscht hatte.
Über den Fremden namens Vynn, der diesen Grandugh gestürzt hatte.
Über Barrel, den sie alle nur den Schmied nannten und der nach dem Grandugh auf den Thron stieg.
Barrel war es auch, der den Donjon in eine riesige Dampfmaschine umbaute und Albastairn mit Elektrizität versorgte. Lurcock spielte mit Maxies Amulett herum und schien zu sinnieren. Einen Augenblick lang glaubte ich Trauer in seinen Augen zu sehen.
Dann schob er mir einen Beutel, mit dem zweiten Teil meines Geldes, zu und versuchte sich in so einer Art freundlichen Lächelns. Ich sah dass sein Glas fast leer war, hob meines und stieß mit ihm an. Wir leerten unsere Gläser und sein lautes, anschließendes Rülpsen jagte mir Ekelschauer über den Rücken.
„Ich habe noch einen Auftrag für sie, Jelly.“ Seine kalten, grauen Augen schienen mich zudurchbohren. „Ich dachte sie haben nur eine Tochter.“
Ich konnte mir meinen Sarkasmus nicht verkneifen. Sein Humor schien unerschöpflich, er lachte dröhnend und reichte mir sein leeres Glas.
„Kommen sie, schenken sie uns noch einmal ein.“
Mit unseren leeren Gläsern trat ich an den kleinen Beistelltisch, füllte beide Gläser und die Bewegung mit der sich der Inhalt meines Siegelrings in sein Glas entleerte, war selbst für die besten Beobachter nicht zu sehen.
Er nahm mir das Glas ab und deutete damit auf ein Pergament das er in der Zwischenzeit auf den Tisch gelegt hatte.
„Sagen wir, ein ehemaliger Geschäftspartner erwartet ihren Besuch. Auch wenn er das noch nicht weiß. Wie sie es machen, ist mir egal. Hauptsache ist, dass klar wird, dass er tot ist. Sagen wir, ich möchte einen kleinen Lerneffekt bei verschiedenen Partnern erreichen.“
Diese Zielperson war ebenso bekannt in Albastairn wie Lurcock. Er trieb sich gern in verschiedenen Bordellen herum. Es würde leicht sein, ihn möglichst auffällig zu töten. Ich nickte meinem Auftraggeber zu und steckte das Pergament ebenso ein, wie den Vorschuss den er mir über den Tisch schob. Geschäft ist Geschäft.
„Kein Problem, ihr Freund wird schon sehr bald tot sein.“
Wieder stießen wir an, leerten unsere Gläser und erneut rülpste er laut. Da ihm offenbar völlig gleichgültig war, in welche Richtung sein Rülpsen ging, konnte ich feststellen das er wohl Fisch gegessen hatte, ich stemmte mich aus meinem Stuhl hoch, zog meine Bluse unter der Lederweste zurecht und versuchte ein freundliches Lächeln zu zeigen.
„War mir, wie immer, ein Vergnügen, mit ihnen Geschäfte zu machen.“ Auf den Zusatz, dass wir uns sehen würden wenn ich den Auftrag erledigt hätte, verzichtete ich ganz bewusst.
Mein Blick fiel noch einmal auf die kleine Gespielin des Mannes. Das Gift aus meinem Ring war völlig Geruchs- und Geschmacklos und würde seine Wirkung erst in einigen Stunden entfalten. Solange brauchte es, um sich im Körper zu verteilen und die Blutbahnen des Opfers so sehr zu erweichen, dass sie durch den normalen Blutdruck platzten. Lurcock würde innerlich verblutet sein, noch bevor ein Apothekarier die Ursache finden könnte. Ich frohlockte innerlich bei dem Gedanken dass es ein schmerzhafter, langsamer und quälender Tod sein würde.
Dass das Blut ihm aus Ohren, Nase, Mund und sogar den Augen laufen würde. Im Allgemeinen ging dieses Sterben, im Endstadium, mit Wahnvorstellungen einher und vermutlich würde er dabei die Kleine auf dem Sofa umbringen, aber solche Sachen gehörten nun mal zu meinem Job.
Ich versuchte immer, unschuldige Opfer zu vermeiden, aber in diesem Fall würde das wohl nicht funktionieren. Als die Tür hinter mir zufiel, dachte ich wieder an Maxie. Sie hatte mich angesprochen, nicht ich sie, und ich würde nie erfahren ob sie wusste, dass ich auch mit ihrem Vater Kontakt hatte.
Die Nacht mit ihr war ein Erlebnis. Die zweite Hälfte, für den Auftrag den mir Maxie Lurcock erteilt hatte, würde ich wohl nie erhalten, doch ich war ihr die Erledigung schuldig gewesen.
Manchmal erledigt man eben auch Menschen aus Überzeugung, denn mit manchen Familien will man einfach nicht verwandt sein, auch dann nicht, wenn sie einem eine Menge Geld bringen.